Monatsimpuls Mai 2020

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Corona und der besondere Monat Mai 2020

Corona – dieses Wort können wir nach vielen Wochen manchmal nicht mehr hören. Wir verbinden mit Corona einen Virus, der so tiefgreifend in unser Leben und unsere Freiheit eingreift, dass wir manchmal unsere Welt und ihren Zusammenhang gar nicht mehr zu verstehen vermögen. Corona ist aggressiv, Corona kann sogar innerhalb kürzester Zeit einen Menschen töten, oder zumindest einen Beitrag dazu leisten. Corona löst Wut aus, je mehr darüber gesprochen wird und je mehr die Auswirkungen spürbar werden. In manchen Menschen ist der innere Widerstand gegen das Virus so groß, dass sie dahinter eine gesellschaftliche, ja globale Verschwörung vermuten, um Freiheitsrechte grundsätzlich einzuschränken.

Es ist eigenartig, dass gerade ein solch zerstörerisches Virus einen so wundervollen Namen erhalten hat. Die Übersetzung des lateinischen Wortes „Corona“ bedeutet nämlich „Krone“. „Corona“ weist von seinem Namen her also auf etwas ganz Wertvolles hin. Wenn jemand eine Krone erhält, dann hebt dies seine oder ihre besondere Würde und Stellung heraus. Verbunden mit Einfluss und Gestaltungsmöglichkeit. Die Krone weist auf die eigentliche Vorbildfunktion hin, die sein oder ihre Träger*in für andere haben soll. Die Aufgaben, die mit dem Tragen einer Krone verbunden sind, sind das Zusammenführen von Menschen in friedlicher Co-Existenz, die Sorge um deren Wohl, um die Stabilität von Gesellschaften. Auch wenn wir wissen und erfahren, wie sehr Träger und Trägerinnen von sichtbaren und unsichtbaren Kronen zu allen Zeiten auch gegenteilig gehandelt haben, ihre Kronen missbrauchten und aktuell missbrauchen. Kronenträger*innen können also zusammenführen und aufbauen, aber auch spalten und zerstören.

Wenn wir unter diesem Blickwinkel beobachten, was dieses Virus „Corona“ in dem Zusammenleben weltweit und in den einzelnen Ländern bewegt, dann finden wir genau diese Zwiespältigkeit wieder. Auf der einen Seite scheinen verschüttet geglaubte Qualitäten des Zusammenlebens wieder aufzubrechen: Jung sieht Alt und gestaltet Nachbarschaftshilfe. Auf Balkonen stehen Menschen und musizieren plötzlich miteinander, um Einsamkeit zu vertreiben und um sich aufzumuntern. Neue Kreativen entstehen in den sozialen Netzwerken – einer für den anderen. In der Politik werden über Jahre umkämpfte und nie geahnte finanzielle Dimensionen einmütig freigesetzt. Berufsgruppen wie Erzieher*innen und Pflegende, die Jahrzehnte lang um gesellschaftliche Anerkennung kämpften, werden in ihrer Bedeutung sichtbar und erfahren eine in „normalen Zeiten“ niemals für möglich gehaltene Würdigung und Anerkennung.

Auf der anderen Seite spaltet dieses „Corona“. Hamsterkäufe als Ausdruck von Selbstbezogenheit sind nur ein Bespiel. Aber auch die Gefahr wird deutlich, wie rasch bei Lockerungen der Beschränkungen und dem Beginn der Normalisierung des Lebens die neu entdeckten Qualitäten in den Hintergrund treten. Verschwörungstheorien, Schuldzuweisungen u.a. treten auf den Plan. Und einige nutzen die Situation, um ihre eigenen Kronen zu polieren und für die eigene Macht und Interessen zu missbrauchen.

Aber wie kann man auf dem Hintergrund dieser Überlegungen auf die Idee kommen, „Corona“ mit dem Marienmonat Mai in Verbindung zu bringen? Als Mitte der 19. Jahrhunderts in Deutschland die Tradition der besonderen Verehrung der Gottesmutter Maria im Monat Mai begann, entstand das wohl insbesondere noch bei den älteren Menschen bekannteste Marienlied des Monats Mai „Maria Maienkönigin“. Maria als Königin des Lebens und der Menschen, die auf ihrem eigenen Lebensweg jede Form von Zwiespältigkeit des Lebens und der Menschen erfahren hat, die ein Mensch nur erfahren kann. Erfahrungen von Gelungenem und Misslungenem, Glück und Zerstörung und Schmerz, Bewunderung und Erniedrigung. Die besondere „Corona“, die Krone des Lebens, die mit der Geburt Jesu begann und über dessen Tod hinausging. Die Krone des Lebens Marias wurde durch ihre konsequente und rückhaltlose Begleitung Jesu durch alle Höhen und Tiefen seines Lebens und mit aller damit verbundener Verantwortung zu einem wertvollen Symbol der Zuneigung zu den Menschen untereinander und der Liebe Gottes zu jedem einzelnen Menschen.

Zweitausend Jahre Geschichte des Christentums haben aber auch gezeigt, dass diese als das Leben und Zusammenleben fördernde Krone Marias ins Gegenteil gewendet werden kann. Maria konnte der Verantwortung der Krone ihres Lebens nur deshalb gerecht werden, konnte mit der Zwiespältigkeit des Lebens nur umgehen, weil sie ihren Weg in aller Konsequenz im Vertrauen auf Gottes stetige und unverbrüchliche Wegbegleitung ging. Trotz aller Anfragen an das Leid und die Ungerechtigkeit des Lebens, die sie sicher genauso wie jeden Menschen umgetrieben hat. Dieses Vertrauen Marias beeindruckt bis heute Menschen und veranlasst sie, sich um Maria zu sammeln. Sie hat vorgelebt, wie die Lebenskrone eines jeden Menschen in der Zuwendung zum anderen und im Vertrauen auf Gott immer wertvoller, einmaliger werden kann. Deshalb vertrauen sich Menschen ihr an.

Eine Frau, die sich selbst als eher dem Glauben fern bezeichnet, erzählte mir, sie würde gerade in bedrängten Lebenssituationen regelmäßig in eine ihr liebgewordene Kirche gehen. Dort stünde eine Schwarze Madonna. Vor ihr eine Kerze zu entzünden, würde ihr Vertrauen und Mut geben, betonte sie.

Maria Maienkönigin des Lebens im Vertrauen auf Gottes Begleitung - einmal ein ganz anderer Blickwinkel auf den Marienmonat in Zeiten von Corona und auf den Namen Corona selbst.

Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass am 14. Mai der Gedenktag der hl. Corona ist, die der Legende nach im 2. oder 3. Jahrhundert gelebt hat und als 16-Jährige in der Zeit der Christenverfolgung getötet wurde. Sie ist erstaunlicherweise auch die Schutzpatronin der von Seuchen betroffenen Menschen.

 

Bernhard Brantzen,
Diakon, Bistum Mainz